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05. Mai 2021 · Erfahrungsbericht

Wie mir die Pandemie geholfen hat, meine Struktur zu finden

Ja, die Pandemie ist schlimm und das will ich in keiner Weise kleinreden. In den folgenden Zeilen will ich Dich ermutigen, auch kleine Lichtblicke in der unsicheren Zeit finden zu können.

Für mich brachten die Pandemie und die damit verbundenen Änderungen des Alltags auch positive Effekte.

Ich war davor immer sehr viel unterwegs, auf der Suche nach Aktivitäten, die mir Spaß machen; unterwegs um soziale Kontakte zu pflegen und aufzubauen. Ich wollte mein tiefliegendes Wunschbild von mir erfüllen: beliebt, engagiert, immer dabei.

Dieser Lebensversuch hat viele positive, aber auch negative Seiten. Durch den plötzlichen Wegfall all meiner geliebten oder als sinnvoll erachteten Aktivitäten musste bzw. KONNTE ich umdenken lernen. Es nahm mir viel Druck, dass während der Pandemie „niemand mehr durfte".

Das hieß für mich, dass nicht ich diejenige war, die wieder mal nicht zu einer Feier konnte oder wollte. Das hieß auch, dass ich nicht mehr die Angst haben musste, etwas zu verpassen (ich denke, jeder von uns kämpft irgendwie mit FOMO). Nein, ich durfte die Zeit tatsächlich so gestalten, wie ich wollte. Und mit der Zeit auch herausfinden, mit wem ich wirklich Kontakt halten will, wer sich selbst auch mal meldet oder welcher Kontakt mir so guttut, dass ich ihm auch nachsehen kann, wenn er sich selbst nicht unbedingt meldet und ich das Zugpferd bin. Durch die täglichen Einschränkungen sind meine Kontakte und Aktivitäten weniger, aber intensiver geworden – und von Stress befreiter.

Das ging natürlich nicht von ganz allein, aber ich konnte die Zeit nutzen, um mich hinzusetzen und mein Verhalten und Fühlen zu überdenken. Und ja, es war auch manchmal schmerzhaft. Trennungen bringen Verlust, aber auch Neugewinn. Ich entscheide mich bewusst, meinen Fokus auf den positiven Teil zu richten (z. B. auf den Neugewinn meiner frei einteilbaren Zeit, wenige gute Freundschaften, Ruhephasen für meinen Körper). Diese Zeit hat mein Essverhalten deutlich entspannt.

Oft war ich früher vor/während/nach Treffen oder Feiern sehr gestresst, habe ich viel darüber gegrübelt, was ich wie gesagt habe oder ob etwas falsch angekommen sein könnte und auch noch 10.000 andere Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum, die sich auf mein Essverhalten oder den Druck auswirkten. Das hat sich deutlich reduziert.

Ein riesiger Zugewinn für mich ist auch, dass ich nun durch fast komplettes Home-Office meinen Rhythmus finden konnte. Ich kann meine Kaffeepause machen, wann ich sie brauche, ich kann mich mit dem Laptop auf den Balkon setzten, wenn das Wetter schön ist, ich kann auch einfach am Nachmittag eine Stunde in der Sonne spazieren, und dann lieber abends noch eine Stunde länger arbeiten. Mir hilft es sehr, den Bedürfnissen meines Körpers nachzugeben oder überhaupt die Möglichkeit zu haben, sie genauer wahrzunehmen und zu beachten. Immer kann ich natürlich auch nicht nachgeben. Aber auch, wenn es nur ein oder zweimal in der Woche ist, empfinde ich es als große dazugewonnene Freiheit.

Mein Wunsch für Dich ist, dass Du die Zeit nutzen kannst, Dir etwas Gutes zu tun, DEINEN Rhythmus kennen zu lernen und Dir zu erlauben, DU zu sein. Du bist gut und Deine Gedanken sind gut. Der Rest kommt.

 

Bildnachweis: Adobe Stock

Über die Autorin

Leoni, 28 Jahre, ehemalige Patientin des TCE