Ich habe in der Therapie und der Zeit danach eine Art von Stärke gelernt: Stärke, nicht in Form von alles alleine tun und niemanden brauchen, sondern in Form von Schwäche zeigen zu können, sie mir zu zugestehen, Fehler haben zu dürfen und auch dazu stehen zu können. Ich habe Freiheit geschenkt bekommen bzw. habe sie mir geschenkt.
Freiheit
• mich zu freuen
• zu lachen oder zu weinen
• Nähe zuzulassen oder zu geben
• Augenblicke zu genießen
• im Hier und Jetzt zu leben
• Schwächen und Fehler zu zeigen
• meine Meinung und Bedürfnisse zu vertreten
• Wünsche zu äußern
• individuell zu sein
• Dinge auszuprobieren, auch wenn ich denke, sie nicht zu können oder mich zu blamieren
• einfach ich sein zu können!
Ich habe begriffen, dass Freiheit eine meiner lebensnotwendigen Stärken ist, die es sich auszubauen lohnt. Vor allem für mich, die ich alles immer sehr zwanghaft und perfektionistisch in meinem Leben erledigt oder erlebt habe.
Die Zeit im TCE war eine lange, traurige, bewegte, lustige, humorvolle, aktionsreiche, verplante und verrückte Zeit. Viele liebe Mädchen, Schwestern und Therapeuten haben mich auf meinen Weg begleitet, umsorgt und mit vielen helfenden, heilenden, zärtlichen Worten und Ratschlägen unterstützt. Ich habe dort viele kleine, konstruktive „Arschtritte" bekommen, die mich zu vielem bewogen haben, sei es etwas in der Therapie vorzustellen, spazieren zu gehen, Singstar zu spielen oder etwas von mir zu erzählen. Ich habe im TCE wahnsinnig viel über mich gelernt und konnte neben vielen wunderbaren Momenten und liebevollen Bekanntschaften viel für mein Leben mitnehmen. Ebenso habe ich mir eine kleine Notfallbox gepackt, die mir in dunklen, unmotivierten, schweren Lebensabschnitten zur Seite stehen und mich begleiten und auffangen kann.
Als ich aus der Therapie entlassen wurde, war die Angst vor dem Zurückkommen der Erkrankung ein ständiger Begleiter: die Angst vor der Einsamkeit und davor, unehrlich zu mir selbst zu sein. Die Angst davor, dass sich etwas einschleichen könnte, ohne dass ich es merke. Die Angst vor meinem kleinen, inneren Schweinehund, den zu bekämpfen und einzusperren mich sehr, sehr viel Kraft, Angst und Wut gekostet hat. Angst davor, so ein Leben zu führen wie davor. Angst vor dem Zu- und Abnehmen. Viele kleine und große Ängste! Aber es waren unbegründete Ängste und es hat sich gelohnt, mir diese einzugestehen, offen damit umzugehen, ehrlich darüber zu reden, denn dies stellt einen gewissen Schutzfaktor (für mich) da. Dinge anzusprechen und darüber zu reden, sorgt dafür, dass man damit nicht mehr alleine ist und sie nicht mehr so groß werden und einen bestimmen können.
Heute, sieben Jahre später, bin ich einfach nur glücklich und dankbar für die Lebensqualität, die ich genießen kann. Ich habe ein gutes Körpergefühl, fühle mich liebenswert und kann mich im Spiegel betrachten und finde mich schön. Letztens erst habe ich zu einem Freund gesagt, nachdem ich in den Spiegel geblickt habe: „Hey, ich habe tatsächlich zugenommen, schau mal meine Backen, sie werden immer voller und das ist wunderschön! Ich werde immer schöner!" Ich konnte es mit meinem ganzen Herzen so fühlen und diese Aussage hat mich so glücklich gemacht. Ich hätte mir damals in meiner akuten Krankheitszeit niemals vorstellen können, so etwas jemals aus meinem Mund zu hören! Ich bitte Euch alle, die Ihr jetzt in Eurer Erkrankung gefangen seit: „Kämpft, gebt nicht auf, es lohnt sich! Auch Ihr könnt es schaffen!!!"
Bildnachweis: Christin Büttner
Sophia, 26 Jahre, ehemalige Patientin im TCE